I. Aufzug
Einleitung
Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der
Überfahrt von Irland nach Kornwall.
[English]
[Français]
Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes, reich mit
Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich
geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den
Schiffsraum hinab.
(Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die
Kissen gedrückt. Brangäne, einen Teppich
zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite
über Bord.)
i. Szene
Ein junger Seemann.
[English]
[Français]
(unsichtbar aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar)
Westwärts
schweift der Blick:
ostwärts
streicht das Schiff.
Frisch weht der Wind
der Heimat zu:
mein irisch Kind,
wo weilest du?
Sind's deiner Seufzer Wehen,
die mir die Segel blähen?
Wehe, wehe, du Wind!
Weh, ach wehe, mein Kind!
Irische Maid,
du wilde, minnige Maid!
Isolde.
[English]
[Français]
(jäh auffahrend)
Wer wagt mich zu höhnen?
(sie blickt verstört um sich)
Brangäne, du?
Sag — wo sind wir?
Brangäne.
(an der Öffnung)
Blaue Streifen
stiegen im Westen auf;
sanft und schnell
segelt das Schiff:
auf ruhiger See vor Abend
erreichen wir sicher das Land.
Isolde.
[English]
[Français]
Welches Land?
Brangäne.
Kornwalls grünen Strand.
Isolde.
Nimmermehr!
Nicht heut noch morgen!
Brangäne.
(lässt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde)
Was hör' ich? Herrin! Ha!
Isolde.
[English]
[Français]
(wild vor sich hin)
Entartet Geschlecht!
Unwert der Ahnen!
Wohin, Mutter,
vergabst du die Macht,
über Meer und Sturm zu gebieten?
O zahme Kunst
der Zauberin,
die nur Balsamtränke noch braut!
Erwache mir wieder,
kühne Gewalt;
herauf aus dem Busen,
wo du dich bargst!
Hört meinen Willen,
zagende Winde!
Heran zu Kampf
und Wettergetös'!
Zu tobender Stürme
wütendem Wirbel!
Treibt aus dem Schlaf
dies träumende Meer,
weckt aus dem Grund
seine grollende Gier!
Zeigt ihm die Beute,
die ich ihm biete!
Zerschlag es dies trotzige Schiff,
des zerschellten Trümmer verschling's!
Und was auf ihm lebt,
den wehenden Atem,
den lass ich euch Winden zum Lohn!
Brangäne.
[English]
[Français]
(im äußersten Schreck, um Isolde sich bemühend)
O weh!
Ach! Ach
des Übels, das ich geahnt!
Isolde! Herrin!
Teures Herz!
Was bargst du mir so lang?
Nicht eine Träne
weintest du Vater und Mutter;
kaum einen Gruß
den Bleibenden botest du.
Von der Heimat scheidend
kalt und stumm,
bleich und schweigend
auf der Fahrt;
ohne Nahrung,
ohne Schlaf;
starr und elend,
wild verstört:
wie ertrug ich,
so dich sehend,
nichts dir mehr zu sein,
fremd vor dir zu stehn?
Oh, nun melde,
was dich müht?
Sage, künde,
was dich quält?
Herrin Isolde,
trauteste Holde,
soll sie wert sich dir wähnen,
vertraue nun Brangänen!
Isolde.
[English]
[Français]
Luft! Luft!
Mir erstickt das Herz!
Öffne! Öffne dort weit!
(Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte
auseinander.)
ii. Szene
(Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über
den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den
Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt,
gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter
und Knappen, ebenfalls gelagert; von ihnen etwas entfernt
Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das
Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert,
Kurwenal.)
Der junge Seemann.
[English]
[Français]
(vom Mast her, aus der Höhe, wie vorher)
Frisch weht der Wind
der Heimat zu:
mein irisch Kind,
wo weilest du?
Sind's deiner Seufzer Wehen,
die mir die Segel blähen?
Wehe, wehe, du Wind!
Weh, ach wehe, mein Kind!
Isolde.
[English]
[Français]
(deren Blick sogleich Tristan fand und
starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich)
Mir erkoren,
mir verloren,
hehr und heil,
kühn und feig!
Todgeweihtes Haupt!
Todgeweihtes Herz!
(Zu Brangäne, unheimlich lachend.)
Was hältst du von dem Knechte?
Brangäne.
(ihrem Blicke folgend)
Wen meinst du?
Isolde.
[English]
[Français]
Dort den Helden,
der meinem Blick
den seinen birgt,
in Scham und Scheue
abwärts schaut.
Sag, wie dünkt er dich?
Brangäne.
Frägst du nach Tristan,
teure Frau,
dem Wunder aller Reiche,
dem hochgepriesnen Mann,
dem Helden ohne Gleiche,
des Ruhmes Hort und Bann?
Isolde.
[English]
[Français]
(sie verhöhnend)
Der zagend vor dem Streiche
sich flüchtet, wo er kann,
weil eine Braut er als Leiche
für seinen Herrn gewann!
Dünkt es dich dunkel,
mein Gedicht?
Frag ihn denn selbst,
den freien Mann,
ob mir zu nahn er wagt?
Der Ehren Gruß
und zücht'ge Acht
vergisst der Herrin
der zage Held,
dass ihr Blick ihn nur nicht erreiche,
den Helden ohne Gleiche!
Oh, er weiß
wohl, warum!
Zu dem Stolzen geh,
meld ihm der Herrin Wort:
Meinem Dienst bereit,
schleunig soll er mir nahn.
Brangäne.
[English]
[Français]
Soll ich ihn bitten,
dich zu grüßen?
Isolde.
Befehlen ließ
dem Eigenholde
Furcht der Herrin
ich, Isolde!
(Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und
schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu,
an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke
ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück,
wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge
unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet.)
Kurwenal.
[English]
[Français]
(der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu
erheben, Tristan am Gewande)
Hab acht, Tristan!
Botschaft von Isolde.
Tristan.
(auffahrend)
Was ist? Isolde? —
(Er fasst sich schnell, als Brangäne vor ihm
anlangt und sich verneigt.)
Von meiner Herrin?
Ihr gehorsam
was zu hören
meldet höfisch
mir die traute Magd?
Brangäne.
[English]
[Français]
Mein Herre Tristan,
Euch zu sehen
wünscht Isolde,
meine Frau.
Tristan.
Grämt sie die lange Fahrt,
die geht zu End';
eh noch die Sonne sinkt,
sind wir am Land.
Was meine Frau mir befehle,
treulich sei's erfüllt.
Brangäne.
So mög' Herr Tristan
zu ihr gehn:
das ist der Herrin Will'.
Tristan.
[English]
[Français]
Wo dort die grünen Fluren
dem Blick noch blau sich färben,
harrt mein König
meiner Frau:
zu ihm sie zu geleiten,
bald nah' ich mich der Lichten;
keinem gönnt' ich
diese Gunst.
Brangäne.
Mein Herre Tristan,
höre wohl:
deine Dienste
will die Frau,
dass du zur Stell' ihr nahtest
dort, wo sie deiner harrt.
Tristan.
[English]
[Français]
Auf jeder Stelle,
wo ich steh',
getreulich dien ich ihr,
der Frauen höchster Ehr';
ließ' ich das Steuer
jetzt zur Stund',
wie lenkt' ich sicher den Kiel
zu König Markes Land?
Brangäne.
[English]
[Français]
Tristan, mein Herre,
was höhnst du mich?
Dünkt dich nicht deutlich
die tör'ge Magd,
hör meiner Herrin Wort!
So, hieß sie, sollt' ich sagen:
Befehlen ließ'
dem Eigenholde
Furcht der Herrin
sie, Isolde.
Kurwenal.
(aufspringend)
Darf ich die Antwort sagen?
Tristan.
(ruhig)
Was wohl erwidertest du?
Kurwenal.
[English]
[Français]
Das sage sie
der Frau Isold'!
Wer Kornwalls Kron'
und Englands Erb'
an Irlands Maid vermacht,
der kann der Magd
nicht eigen sein,
die selbst dem Ohm er schenkt.
Ein Herr der Welt
Tristan der Held!
Ich ruf's: du sag's, und grollten
mir tausend Frau Isolden!
(Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren
sucht und Brangäne entrüstet sich zum
Weggehen wendet, singt Kurwenal der zögernd
sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:)
»Herr Morold zog
zu Meere her,
in Kornwall Zins zu haben;
ein Eiland schwimmt
auf ödem Meer,
da liegt er nun begraben!
Sein Haupt doch hängt
im Irenland,
als Zins gezahlt
von Engeland:
Hei! Unser Held Tristan,
wie der Zins zahlen kann!«
(Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den Schiffsraum
hinabgestiegen; Brangäne in Bestürzung zu Isolde
zurückgekehrt, schließt hinter sich die Vorhänge, während
die ganze Mannschaft außen sich hören lässt.)
[English]
[Français]
Alle Männer.
Sein Haupt doch hängt
im Irenland,
als Zins gezahlt
von Engeland:
Hei! Unser Held Tristan,
wie der Zins zahlen kann!
iii. Szene
(Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder
geschlossenen Vorhängen. — Isolde erhebt sich mit
verzweiflungsvoller Wutgebärde. Brangäne stürzt ihr
zu Füßen.)
[English]
[Français]
Brangäne.
Weh, ach wehe!
Dies zu dulden!
Isolde.
(dem furchtbarsten Ausbruche nahe,
schnell sich zusammenraffend)
Doch nun von Tristan!
Genau will ich's vernehmen.
Brangäne.
[English]
[Français]
Ach, frage nicht!
Isolde.
Frei sag's ohne Furcht!
Brangäne.
Mit höf'schen Worten
wich er aus.
Isolde.
Doch als du deutlich mahntest?
Brangäne.
[English]
[Français]
Da ich zur Stell'
ihn zu dir rief:
wo er auch steh',
so sagte er,
getreulich dien' er ihr,
der Frauen höchster Ehr';
ließ' er das Steuer
jetzt zur Stund',
wie lenkt' er sicher den Kiel
zu König Markes Land?
Isolde.
[English]
[Français]
(schmerzlich bitter)
»Wie lenkt' er sicher den Kiel
zu König Markes Land?«
(grell und heftig)
Den Zins ihm auszuzahlen,
den er aus Irland zog!
Brangäne.
Auf deine eignen Worte,
als ich ihm die entbot,
ließ seinen Treuen Kurwenal —
Isolde.
[English]
[Français]
Den hab ich wohl vernommen,
kein Wort, das mir entging.
Erfuhrest du meine Schmach,
nun höre, was sie mir schuf.
Wie lachend sie
mir Lieder singen,
wohl könnt' auch ich erwidern
von einem Kahn,
der klein und arm
an Irlands Küste schwamm,
darinnen krank
ein siecher Mann
elend im Sterben lag.
Isoldes Kunst
ward ihm bekannt;
mit Heilsalben
und Balsamsaft
der Wunde, die ihn plagte,
getreulich pflag sie da.
Der »Tantris«
mit sorgender List sich nannte,
als Tristan
Isold' ihn bald erkannte,
da in des Müss'gen Schwerte
eine Scharte sie gewahrte,
darin genau
sich fügt' ein Splitter,
den einst im Haupt
des Iren-Ritter,
zum Hohn ihr heimgesandt,
mit kund'ger Hand sie fand.
Da schrie's mir auf
aus tiefstem Grund!
Mit dem hellen Schwert
ich vor ihm stund,
an ihm, dem Überfrechen,
Herrn Morolds Tod zu rächen.
Von seinem Lager
blickt' er her —
nicht auf das Schwert,
nicht auf die Hand —
er sah mir in die Augen.
Seines Elendes
jammerte mich! —
Das Schwert — ich ließ es fallen!
Die Morold schlug, die Wunde,
sie heilt' ich, dass er gesunde
und heim nach Hause kehre,
mit dem Blick mich nicht mehr beschwere!
Brangäne.
[English]
[Français]
O Wunder! Wo hatt' ich die Augen?
Der Gast, den einst
ich pflegen half?
Isolde.
[English]
[Français]
Sein Lob hörtest du eben:
»Hei! Unser Held Tristan« —
der war jener traur'ge Mann.
Er schwur mit tausend Eiden
mir ew'gen Dank und Treue!
Nun hör, wie ein Held
Eide hält!
Den als Tantris
unerkannt ich entlassen,
als Tristan
kehrt' er kühn zurück;
auf stolzem Schiff,
von hohem Bord,
Irlands Erbin
begehrt' er zur Eh'
für Kornwalls müden König,
für Marke, seinen Ohm.
Da Morold lebte,
wer hätt' es gewagt
uns je solche Schmach zu bieten?
Für der zinspflicht'gen
Kornen Fürsten
um Irlands Krone zu werben!
Ach, wehe mir!
Ich ja war's,
die heimlich selbst
die Schmach sich schuf!
Das rächende Schwert,
statt es zu schwingen,
machtlos ließ ich's fallen!
Nun dien' ich dem Vasallen!
Brangäne.
[English]
[Français]
Da Friede, Sühn' und Freundschaft
von allen ward beschworen,
wir freuten uns all' des Tags;
wie ahnte mir da,
dass dir es Kummer schüf'?
Isolde.
[English]
[Français]
O blinde Augen,
blöde Herzen!
Zahmer Mut,
verzagtes Schweigen!
Wie anders prahlte
Tristan aus,
was ich verschlossen hielt!
Die schweigend ihm
das Leben gab,
vor Feindes Rache
ihn schweigend barg;
was stumm ihr Schutz
zum Heil ihm schuf —
mit ihr gab er es preis!
Wie siegprangend
heil und hehr,
laut und hell
wies er auf mich:
»Das wär ein Schatz,
mein Herr und Ohm;
wie dünkt Euch die zur Eh'?
Die schmucke Irin
hol' ich her;
mit Steg' und Wegen
wohlbekannt,
ein Wink, ich flieg'
nach Irenland:
Isolde, die ist Euer!
Mir lacht das Abenteuer!«
Fluch dir, Verruchter!
Fluch deinem Haupt!
Rache! Tod!
Tod uns beiden!
Brangäne.
[English]
[Français]
(mit ungestümer Zärtlichkeit auf Isolde stürzend)
O Süße! Traute!
Teure! Holde!
Goldne Herrin!
Lieb' Isolde!
(Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett.)
Hör mich! Komme!
Setz dich her!
Welcher Wahn,
welch eitles Zürnen!
Wie magst du dich betören,
nicht hell zu sehn noch hören?
Was je Herr Tristan
dir verdankte,
sag, konnt' er's höher lohnen
als mit der herrlichsten der Kronen?
So dient' er treu
dem edlen Ohm;
dir gab er der Welt
begehrlichsten Lohn:
dem eignen Erbe,
echt und edel,
entsagt' er zu deinen Füßen,
als Königin dich zu grüßen!
(Isolde wendet sich ab.)
Und warb er Marke
dir zum Gemahl,
wie wolltest du die Wahl doch schelten,
muss er nicht wert dir gelten?
Von edler Art
und mildem Mut,
wer gliche dem Mann
an Macht und Glanz?
Dem ein hehrster Held
so treulich dient,
wer möchte sein Glück nicht teilen,
als Gattin bei ihm weilen?
Isolde.
[English]
[Français]
(starr vor sich hinblickend)
Ungeminnt
den hehrsten Mann
stets mir nah zu sehen!
Wie könnt' ich die Qual bestehen?
Brangäne.
[English]
[Français]
Was wähnst du, Arge?
Ungeminnt? —
(Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolde.)
Wo lebte der Mann,
der dich nicht liebte?
Der Isolde säh'
und in Isolden
selig nicht ganz verging'?
Doch der dir erkoren,
wär' er so kalt,
zög' ihn von dir
ein Zauber ab:
den bösen wüsst' ich
bald zu binden.
Ihn bannte der Minne Macht.
(mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz zu Isolde)
Kennst du der Mutter
Künste nicht?
Wähnst du, die alles
klug erwägt,
ohne Rat in fremdes Land
hätt' sie mit dir mich entsandt?
Isolde.
[English]
[Français]
(düster)
Der Mutter Rat
gemahnt mich recht;
willkommen preis' ich
ihre Kunst:
Rache für den Verrat,
Ruh' in der Not dem Herzen!
Den Schrein dort bring mir her!
Brangäne.
[English]
[Français]
Er birgt, was Heil dir frommt.
(Sie holt eine kleine goldne Truhe herbei,
öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt.)
So reihte sie die Mutter,
die mächt'gen Zaubertränke.
Für Weh und Wunden
Balsam hier;
für böse Gifte
Gegengift.
(Sie zieht ein Fläschen hervor)
Den hehrsten Trank,
ich halt' ihn hier.
Isolde.
[English]
[Français]
Du irrst, ich kenn' ihn besser;
ein starkes Zeichen
schnitt ich ihm ein.
(Sie ergreift ein Fläschen und zeigt es.)
Der Trank ist's, der mir taugt!
Brangäne.
(weicht entsetzt zurück)
Der Todestrank!
(Isolde hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit
wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffvolks.)
Schiffsvolk.
[English]
[Français]
(von außen)
Ho! He! Ha! He!
Am Untermast
die Segel ein!
Ho! He! Ha! He!
Isolde.
Das deutet schnelle Fahrt.
Weh mir! Nahe das Land!
iv. Szene
(Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal
herein.)
[English]
[Français]
Kurwenal.
Auf! Auf! Ihr Frauen!
Frisch und froh!
Rasch gerüstet!
Fertig nun, hurtig und flink!
(gemessener)
Und Frau Isolden
sollt' ich sagen
von Held Tristan,
meinem Herrn:
Vom Mast der Freude Flagge,
sie wehe lustig ins Land;
in Markes Königsschlosse
mach' sie ihr Nahn bekannt.
Drum Frau Isolde
bät' er eilen,
fürs Land sich zu bereiten,
dass er sie könnt' geleiten.
Isolde.
[English]
[Français]
(nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer
zusammengefahren, gefasst und mit Würde)
Herrn Tristan bringe
meinen Gruß
und meld ihm, was ich sage.
Sollt' ich zur Seit' ihm gehen,
vor König Marke zu stehen,
nicht möcht' es nach Zucht
und Fug geschehn,
empfing ich Sühne
nicht zuvor
für ungesühnte Schuld.
Drum such er meine Huld.
(Kurwenal macht eine trotzige Gebärde.
Isolde fährt mit Steigerung fort.)
Du merke wohl
und meld es gut!
Nicht woll' ich mich bereiten,
ans Land ihn zu begleiten;
nicht werd' ich zur Seit' ihm gehen,
vor König Marke zu stehen;
begehrte Vergessen
und Vegeben
nach Zucht und Fug
er nicht zuvor
für ungebüßte Schuld:
die böt' ihm meine Huld.
Kurwenal.
[English]
[Français]
Sicher wisst,
das sag' ich ihm;
nun harrt, wie er mich hört!
(Er geht schnell zurück. Isolde eilt auf
Brangäne zu und umarmt sie heftig.)
Isolde.
Nun leb wohl, Brangäne!
Grüß mir die Welt,
grüße mir Vater und Mutter!
Brangäne.
[English]
[Français]
Was ist? Was sinnst du?
Wolltest du fliehn?
Wohin soll ich dir folgen?
Isolde.
(fasst sich schnell)
Hörtest du nicht?
Hier bleib' ich,
Tristan will ich erwarten.
Getreu befolg,
was ich befehl',
den Sühnetrank
rüste schnell;
du weißt, den ich dir wies?
(Sie entnimmt dem Schrein das Fläschen.)
Brangäne.
[English]
[Français]
Und welchen Trank?
Isolde.
Diesen Trank!
In die gold'ne Schale
gieß ihn aus;
gefüllt fasst sie ihn ganz.
Brangäne.
(voll Grausen das Fläschen empfangend)
Trau' ich dem Sinn?
Isolde.
[English]
[Français]
Sei du mir treu!
Brangäne.
Den Trank — für wen?
Isolde.
Wer mich betrog —
Brangäne.
Tristan?
Isolde.
— trinke mir Sühne!
Brangäne.
(zu Isoldes Füßen stürzend)
Entsetzen! Schone mich Arme!
Isolde.
[English]
[Français]
(sehr heftig)
Schone du mich,
untreue Magd!
Kennst du der Mutter
Künste nicht?
Wähnst du, die alles
klug erwägt,
ohne Rat in fremdes Land
hätt' sie mit dir mich entsandt?
Für Weh und Wunden
gab sie Balsam,
für böse Gifte
Gegengift.
Für tiefstes Weh,
für höchstes Leid
gab sie den Todestrank.
Der Tod nun sag ihr Dank!
Brangäne.
[English]
[Français]
(kaum ihrer mächtig)
O tiefstes Weh!
Isolde.
Gehorchst du mir nun?
Brangäne.
O höchstes Leid!
Isolde.
Bist du mir treu?
Brangäne.
[English]
[Français]
Der Trank?
Kurwenal.
(eintretend)
Herr Tristan!
(Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt.
Isolde sucht mit furchtbarer Anstrengung sich
zu fassen.)
Isolde.
(zu Kurwenal)
Herr Tristan trete nah!
v. Szene
(Kurwenal geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer
mächtig, wendet sich in den Hintergrund. Isolde, ihr ganzes
Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam,
mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende
sich stützend sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. —
Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingange stehen. —
Isolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick
versunken. — Langes Schweigen.)
[English]
[Français]
Tristan.
Begehrt, Herrin,
was Ihr wünscht.
Isolde.
Wüsstest du nicht,
was ich begehre,
da doch die Furcht,
mir's zu erfüllen,
fern meinem Blick dich hielt?
Tristan.
[English]
[Français]
Ehrfurcht
hielt mich in Acht.
Isolde.
Der Ehre wenig
botest du mir;
mit off'nem Hohn
verwehrtest du
Gehorsam meinem Gebot.
Tristan.
Gehorsam einzig
hielt mich in Bann.
Isolde.
[English]
[Français]
So dankt' ich Geringes
deinem Herrn,
riet dir sein Dienst
Unsitte
gegen sein eigen Gemahl?
Tristan.
Sitte lehrt,
wo ich gelebt:
zur Brautfahrt
der Brautwerber
meide fern die Braut.
Isolde.
Aus welcher Sorg'?
Tristan.
[English]
[Français]
Fragt die Sitte!
Isolde.
Da du so sittsam,
mein Herr Tristan,
auch einer Sitte
sei nun gemahnt:
den Feind dir zu sühnen,
soll er als Freund dich rühmen.
Tristan.
Und welchen Feind?
Isolde.
[English]
[Français]
Frag deine Furcht!
Blutschuld
schwebt zwischen uns.
Tristan.
Die ward gesühnt.
Isolde.
Nicht zwischen uns!
Tristan.
Im offnen Feld
vor allem Volk
ward Urfehde geschworen.
Isolde.
[English]
[Français]
Nicht da war's,
wo ich Tantris barg,
wo Tristan mir verfiel.
Da stand er herrlich,
hehr und heil;
doch was er schwur,
das schwurt ich nicht:
zu schweigen hatt' ich gelernt.
Da in stiller Kammer
krank er lag,
mit dem Schwerte stumm
ich vor ihm stund:
schwieg da mein Mund,
bannt' ich meine Hand —
doch was einst mit Hand
und Mund ich gelobt,
das schwur ich schweigend zu halten.
Nun will ich des Eides walten.
Tristan.
[English]
[Français]
Was schwurt Ihr, Frau?
Isolde.
Rache für Morold!
Tristan.
Müht Euch die?
Isolde.
[English]
[Français]
Wagst du zu höhnen?
Angelobt war er mir,
der hehre Irenheld;
seine Waffen hatt' ich geweiht;
für mich zog er zum Streit.
Da er gefallen,
fiel meine Ehr':
in des Herzens Schwere
schwur ich den Eid,
würd' ein Mann den Mord nicht sühnen,
wollt' ich Magd mich des erkühnen.
Siech und matt
in meiner Macht,
warum ich dich da nicht schlug?
Das sag dir selbst mit leichtem Fug.
Ich pflag des Wunden,
dass den Heilgesunden
rächend schlüge der Mann,
der Isolde ihm abgewann.
Dein Los nun selber
magst du dir sagen!
Da die Männer sich all ihm vertragen,
wer muss nun Tristan schlagen?
Tristan.
[English]
[Français]
(bleich und düster)
War Morold dir so wert,
nun wieder nimm das Schwert
und führ es sicher und fest,
dass du nicht dir's entfallen lässt!
(Er reicht ihr sein Schwert dar)
Isolde.
[English]
[Français]
Wie sorgt' ich schlecht
um deinen Herren;
was würde König Marke sagen,
erschlüg' ich ihm
den besten Knecht,
der Kron' und Land ihm gewann,
den allertreusten Mann?
Dünkt dich so wenig,
was er dir dankt,
bringst du die Irin
ihm als Braut,
dass er nicht schölte,
schlüg' ich den Werber,
der Urfehde-Pfand
so treu ihm liefert zur Hand?
Wahre dein Schwert!
Da einst ich's schwang,
als mir die Rache
im Busen rang,
als dein messender Blick
mein Bild sich stahl,
ob ich Herrn Marke
taug' als Gemahl:
Das Schwert — da ließ ich's sinken.
Nun lass uns Sühne trinken!
(Sie winkt Brangäne. Diese schaudert zusammen,
schwankt und zögert in ihrer Bewegung. Isolde treibt
sie mit gesteigerter Gebärde an. Brangäne lässt sich
zur Bereitung des Trankes an.)
[English]
[Français]
Schiffsvolk.
(von außen)
Ho! He! Ha! He!
Am Obermast
die Segel ein!
Ho! He! Ha! He!
Tristan.
(aus düsterem Brüten auffahrend)
Wo sind wir?
Isolde.
[English]
[Français]
Hart am Ziel!
Tristan, gewinn' ich die Sühne?
Was hast du mir zu sagen?
Tristan.
(finster)
Des Schweigens Herrin
heißt mich schweigen:
fass' ich, was sie verschwieg,
verschweig' ich, was sie nicht fasst.
Isolde.
[English]
[Français]
Dein Schweigen fass ich,
weichst du mir aus.
Weigerst du die Sühne mir?
Schiffsvolk.
(von außen)
Ho! He! Ha! He!
(Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht
Brangäne ihr die gefüllte Trinkschale.)
Isolde.
[English]
[Français]
(mit dem Becher zu Tristan tretend,
der ihr starr in die Augen blickt)
Du hörst den Ruf?
Wir sind am Ziel.
In kurzer Frist
stehn wir (mit leisem Hohne) vor König Marke.
Geleitest du mich,
dünkt's dich nicht lieb,
darfst du so ihm sagen:
»Mein Herr und Ohm,
sieh die dir an:
ein sanftres Weib
gewännst du nie.
Ihren Angelobten
erschlug ich ihr einst,
sein Haupt sandt' ich ihr heim;
die Wunde, die
seine Wehr mir schuf,
die hat sie hold geheilt.
Mein Leben lag
in ihrer Macht:
das schenkte mir
die holde Magd
und ihres Landes
Schand' und Schmach
die gab sie mit darein,
dein Ehgemahl zu sein.
So guter Gaben
holden Dank
schuf mir ein süßer
Sühnetrank;
den bot mir ihre Huld,
zu sühnen alle Schuld.«
Schiffsvolk.
[English]
[Français]
(außen)
Auf das Tau!
Anker los!
Tristan.
(wild auffahrend)
Los den Anker!
Das Steuer dem Strom!
Den Winden Segel und Mast!
(Er entreißt ihr die Trinkschale.)
Wohl kenn' ich Irlands
Königin
und ihrer Künste
Wunderkraft.
Den Balsam nützt' ich,
den sie bot:
den Becher nehm ich nun,
dass ganz ich heut genese.
Und achte auch
des Sühneeids,
den ich zum Dank dir sage!
Tristans Ehre —
höchste Treu'!
Tristans Elend —
kühnster Trotz!
Trug des Herzens!
Traum der Ahnung!
Ew'ger Trauer
einz'ger Trost:
Vergessens güt'ger Trank,
dich trink' ich sonder Wank!
(Er setzt an und trinkt.)
[English]
[Français]
Isolde.
Betrug auch hier?
Mein die Hälfte!
(Sie entwindet ihm den Becher.)
Verräter! Ich trink' sie dir!
(Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. Beide,
von Schauder erfasst, blicken sich mit höchster Aufregung,
doch mit starrer Haltung, unverwandt in die Augen,
in deren Ausdruck der Todestrotz bald der Liebesglut weicht.
Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhaft an das Herz
und führen die Hand wieder an die Stirn. Dann suchen sie
sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften
ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander.)
Isolde.
[English]
[Français]
(mit bebender Stimme)
Tristan!
Tristan.
(überströmend)
Isolde!
Isolde.
(an seine Brust sinkend)
Treuloser Holder!
Tristan.
(mit Glut sie umfassend)
Seligste Frau!
(Sie verbleiben in stummer Umarmung.
Aus der Ferne vernimmt man Trompeten.)
Männer.
[English]
[Français]
(von außen auf dem Schiffe rufend)
Heil! König Marke Heil!
Brangäne.
(die, mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und
Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet
sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung
versunkenen Paares zu und stürzt händeringend
voll Verzweiflung in den Vordergrund)
Wehe! Weh!
Unabwendbar
ew'ge Not
für kurzen Tod!
Tör'ger Treue
trugvolles Werk
blüht nun jammernd empor!
(Tristan und Isolde fahren aus der Umarmung
auf.)
[English]
[Français]
Tristan.
(verwirrt)
Was träumte mir
von Tristans Ehre?
Isolde.
Was träumte mir
von Isoldes Schmach?
Tristan.
Du mir verloren?
Isolde.
[English]
[Français]
Du mich verstoßen?
Tristan.
Trügenden Zaubers
tückische List!
Isolde.
Törigen Zürnens
eitles Dräu'n!
Tristan.
[English]
[Français]
Isolde!
Isolde.
Tristan!
Tristan.
Süßeste Maid!
Isolde.
Trautester Mann!
Beide.
[English]
[Français]
Wie sich die Herzen
wogend erheben!
Wie alle Sinne
wonnig erbeben!
Sehnender Minne
schwellendes Blühen,
schmachtender Liebe
seliges Glühen!
Jach in der Brust
jauchzende Lust!
Tristan.
Isolde!
Isolde mir gewonnen!
Isolde.
[English]
[Français]
Tristan!
Welten-entronnen,
du mir gewonnen!
Beide.
Du mir einzig bewusst,
höchste Liebeslust!
(Die Vorhänge werden weit auseinandergerissen;
das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk bedeckt,
die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man,
mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt. —
Tristan und Isolde bleiben, in ihrem gegenseitigen
Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie
Vorgehenden.)
Brangäne.
[English]
[Français]
(zu den Frauen, die auf ihren Wink
aus dem Schiffsraum heraufsteigen)
Schnell, den Mantel,
den Königsschmuck!
(Zwischen Tristan und Isolde stürzend)
Unsel'ge! Auf!
Hört, wo wir sind!
(Sie legt Isolde, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an.)
Alle Männer.
[English]
[Français]
Heil! Heil! Heil!
König Marke Heil!
Heil dem König!
Kurwenal.
(lebhaft herantretend)
Heil Tristan,
glücklicher Held!
Mit reichem Hofgesinde
dort auf Nachen
naht Herr Marke.
Hei, wie die Fahrt ihn freut,
dass er die Braut sich freit!
Tristan.
[English]
[Français]
(in Verwirrung aufblickend)
Wer naht?
Kurwenal.
Der König!
Tristan.
Welcher König?
(Kurwenal deutet über Bord.)
Alle Männer.
(die Hüte schwenkend)
Heil! König Marke Heil!
(Tristan starrt wie sinnlos nach
dem Lande.)
[English]
[Français]
Isolde.
(in Verwirrung)
Was ist, Brangäne?
Welcher Ruf?
Brangäne.
Isolde! Herrin!
Fassung nur heut!
Isolde.
Wo bin ich? Leb' ich?
Ha! Welcher Trank?
Brangäne.
[English]
[Français]
(verzweiflungsvoll)
Der Liebestrank.
Isolde.
(starrt entsetzt auf Tristan)
Tristan!
Tristan.
Isolde!
Isolde.
[English]
[Français]
Muss ich leben?
(Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust.)
Brangäne.
(zu den Frauen)
Helft der Herrin!
Tristan.
O Wonne voller Tücke!
O truggeweihtes Glücke!
Alle Männer.
[English]
[Français]
(Ausbruch allgemeinen Jauchzens)
Heil dem König!
Kornwall Heil!
(Trompeten vom Lande her)
(Leute sind über Bord gestiegen, andere haben
eine Brücke ausgelegt, und die Haltung aller deutet
auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten,
als der Vorhang schnell fällt.)
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